Text für Lucie Geffray/David Pinter - Ferien in der Krise @ f.e.a. - forum für experimentelle architektur (18.06.2013)

Eigentlich sollten hier überall Strandliegen stehen, aber es ist so wenig los. Da kann man nicht viel machen, außer sich auf das konzentrieren, was man wirklich gut kann. Krisensicher Lächeln und Segeln. In nur zwei Wochen kann man zumindest Letzteres lernen. Das Lächeln fällt den meisten doch noch etwas schwerer. Die Gesichtsmuskulatur ermüdet einfach zu schnell.

Fairerweise muss man dazusagen, dass sich heutzutage auch niemand mehr einen zweiwöchigen Segelkurs leisten will und stattdessen versuchen die Meisten sich das Grundwissen in ein paar Tagen anzueignen. Statt sich in Geduld zu üben ist halb Europa mit grimmigem Gesichtsausdruck vor den eigenen Stränden ersoffen und Wasserleichen brauchen nunmal keine Strandliegen. Dabei hätten sie mit einer Liege nicht nur Geld gespart, sondern wären wahrscheinlich noch am Leben. Und das mit dem Lächeln hätte auch irgendwann geklappt. Aber auf uns hört ja keiner mehr. Wegen den zwei, drei schwarzen Schafen. Also wirklich... Dabei ist eine Strandliege eine Investition in die Zukunft und sichert einem einen Platz an der Sonne. Aber anstatt zu investieren wollen die meisten nach einer Woche schon das Weite und nicht die Weitsicht suchen. Und sich vorher noch schnell schlecht informiert in die Fluten stürzen anstatt uns zu vertrauen. Und jetzt wird gerade uns mangelnde Anpassungsfähigkeit vorgeworfen! Das Gemeinschaftsgefühl ist verloren gegangen! Wir sind alle immer noch Teil einer großen Familie. Sicher haben wir lange Zeit nur eigene Interessen verfolgt, aber im Endeffekt doch nur für das Allgemeinwohl!

Aber ich will nicht klagen, das erledigen bereits andere für mich, hahaha! Spaß beiseite! Das Angebot bestimmt immer noch die Nachfrage und hier müssen wir ansetzen. Schuldzuweisungen bringen da nicht viel. Eine Neuausrichtung muss her! Jede Krise ist gleichzeitig ein Neuanfang! Das gute alte Rebranding! Ein neuer Anstrich lässt die alte Welt in neuem Glanz erstrahlen. Ich helfe wo ich kann, allerdings muss ich gleich dazusagen, dass körperliche Arbeit nicht so mein Ding ist. Aber für ein kleines Honorar stehe ich gerne beratend zur Seite. Und weil ich weiß dass der Geldbeutel nicht mehr ganz so locker sitzt wie vor ein paar Jahren, akzeptiere ich folgende Ersatzwährungen: Das erstgeborene Kind, das zweitgeborene Kind, ein Butterbrot, die Option auf ein Butterbrot, eine Flasche Wein, usw. Und um den Deal noch etwas attraktiver zu machen, gibt es einen Haufen Strandliegen oben drauf. Wenn die neue alte Welt erstmal fertig ist werden sich die Dinger praktisch wie von selbst verkaufen. Ich weiß dass das Misstrauen tief sitzt und sich dieser Deal zu gut um wahr zu sein anhört, aber eines müssen Sie bedenken: Das sind keine leeren Versprechungen, das ist keine falsche Hoffnung! Diese Strandliegen sind eine Sicherheit! Schließlich lässt jeder Mensch gerne mal die Seele baumeln und wo baumelt es sich bequemer als am Strand?

Das krisensichere Lächeln meistern wir auch noch und dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Ich weiß, das haben sie sicher alles schon mal gehört, aber bedenken sie bitte die geänderten Umstände! Diesmal bin ich nämlich wirklich auf ihrer Seite! Gemeinsam können wir wieder aufbauen! Nächste Woche geht es los! In die Hände spucken und auf geht’s! In der Anfangsphase müssen Sie jedoch noch ohne mich auskommen. Ich habe nämlich gerade einen einwöchigen Segelkurs gebucht...


Pawel Szostak, 2013

Lucie Geffray
David Pinter

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen