Guten Abend, Guten Tag....
...je nachdem was Ihnen lieber ist.
Ich darf Sie herzlich begrüßen, weil
ich nicht da bin. Außerdem ist „ich“ übertrieben. Sie
verstehen jetzt sicher kein Wort, von dem was ich sage, aber das
macht nichts, es dauert ja nicht lange, bleiben Sie geduldig!
Willkommen zu „No Lemon, No Melon“
but „A Nut For A Nut For A Jar Of Tuna“!
Als ich gebeten wurde zu dieser
Ausstellung, eine kurze Rede zu halten, dachte ich mir sofort: „O
Genie, dein Ego!“, endlich darfst du dich vor ein Publikum stellen
und deine Gedanken zu den Arbeiten, von einem von dir geschätzten
Künstler, erläutern. Aber das wäre stinklangweilig und würde viel
zu lange dauern, also versuche ich mich auf das, für mich
Wesentliche, an Lukas Arbeiten zu konzentrieren. Immer Sehen einige
von Ihnen nicht mehr ganz so frisch aus. Seien Sie mir bitte nicht
böse, ich kann wirklich gar nichts dafür, was ich hier sage! Ich
muss Ihnen etwas gestehen.
Diese Person, die hier vor Ihnen steht
bin nämlich gar nicht ich. Ich bin nur ein Souffler, hinter einem
Vorhang und das hier ist mein Ersatz. Oder ich bin seiner, je nachdem
aus welcher Richtung sie das betrachten möchten.Wir gleichen uns
aber in beiden Richtungen wie ein Ei. Das können Sie ja jetzt
natürlich nicht wissen, deswegen sage ich Ihnen das ja auch. Weil
wenn ich es Ihnen nicht sagen würde, müssten Sie mich kennen um den
vollen Umfang meiner kleinen Ausführungen hier zu verstehen.
Ich bin also ein Doppelgänger, der
mehr oder weniger, an einen Text gebunden ist, der, einem für mich
fiktivem, für meinen Doppelgänger unangenehm realem Publikum,
vorgetragen wird. Wer von uns jetzt wer ist, müssen Sie entscheiden.
Es spricht für beide Möglichkeiten so einiges. Warten Sie
eigentlich, dass ich etwas zur Ausstellung sage? Das tu ich doch
schon schon die ganze Zeit!
Sie verfügen jetzt nämlich über die
Information, dass ich ein Doppelgänger bin, der mir sehr ähnlich
sieht. Natürlich sind Sie immer noch ein wenig skeptisch, weil
erzählen kann ich ihnen vieles. Die Art und Weise, wie sie mich
jetzt wahrnehmen, dürfte sich aber zumindest ein klein wenig
verändert haben. Sie, alle hier Anwesenden, verfügen jetzt über
eine Information, die ihre Wahrnehmung verändert hat! Sie wissen,
dass sie gerade getäuscht werden, dass hier jemand gerade nur so tut
als ob...
...oder auch nicht.
Lukas meinte einmal, dass Konnotationen und Assoziationen Dingen eine viel stärkere Prägung geben als Worte und wenn ich mir
so Ihre Gesichter vorstelle und/oder anschaue, dann muss ich ihm wohl
recht geben. Denn das, was ich hier gerade machen, ist nicht die
feine Klinge, sondern die Keule. Sie wurden mit Gewalt hinter den
Vorhang gezogen und jetzt schreit Ihnen der Souffler ins Gesicht.
Lukas hat da defintiv ein abwechslungsreicheres Lautstärkespektrum.
Verstehen Sie jetzt was ich meine?
Schauen Sie sich also alles ganz genau
an! Machen Sie sich ein paar Gedanken und vielleicht werden Sie mit
einem Glücksmoment belohnt. Und vielleicht wird es ihr kleiner
persönlicher Glücksmoment sein, den außer Ihnen niemand versteht.
Und dann können Sie den Künstler fragen, ob Sie es richtig
„verstanden haben“, obwohl sie sich diese Frage nur durch das
Kunstwerk selbst beantworten können. Und dann schreit der Souffler
nicht mehr, sondern flüstert Ihnen ins Ohr. Und ist das nicht eine
schöne Vorstellung? Schönen Abend!
Pawel Szostak, 2013
Link zum Künstler:
Lukas Thaler
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